Blicke auf die Vergangenheit und in die Zukunft richtete Saskia Esken vergangene Woche in Prag.
Die Politikerin ist seit 2013 Mitglied im Deutschen Bundestag und führt seit 2019 als eine von zwei Vorsitzenden die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Nun war Esken das erste Mal in Prag und nutzte diese Gelegenheit auch zum Besuchen und Entdecken eigener Wurzeln: Vor der Ankunft in Prag besuchte die deutsche Politikerin Cheb (Eger), denn dort in der Nähe lebte die Mutter und fand ihren Weg später als eine der vertriebenen Sudetendeutschen nach Süddeutschland. Aber nicht nur die böhmischen Wurzeln, sondern inbesondere auch ein wichtiges Datum brachten die SPD-Ko-Vorsitzende in die tschechische Hauptstadt: 1933 – also vor 90 Jahren – gründete sich im Prager Stadtteil Karlín der Vorstand der sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Exil – die SOPADE.
Als die Nationalsozialisten in Deutschland den Druck gegen politische Gegner erhöhten, wurden Soziademokratinnen und Sozialdemokraten verhaftet und verfolgt. 1933 wurde die Sozialdemokratische Partei sogar verboten und Teile der Führung sahen sich gezwungen, nach Prag ins Exil zu gehen, um die Partei zu retten und weiter für die eigenen Werte zu kämpfen. Aus Prag (und ab 1938 aus Paris und später London) wurden antinazistische Publikationen verbreitet und Netzwerke mit Verbündeten betrieben. Mitglieder der SOPADE bauten nach dem Zweiten Weltkrieg dann die SPD in ihrer heutigen Form wieder auf.
Diese Erinnerung an das Exil in Prag bestimmte den ersten Vormittag Eskens. Gemeinsam mit Thomas Oellermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Tschechischen Republik, führte das Erinnern bei sommerlichem Wetter in die Prager Innenstadt an Orte, an denen sich Teile des Prager Exils, aber auch viele andere wichtige Ereignisse des Kampfes für Demokratie abspielten. So wurde unter anderem am ehemaligen Gewerkschaftshaus mit Sitz der sozialdemokratischen Flüchtlingshilfe, an der Národní – Ort des Protestes am 17. November 1989 – und an dem Denkmal zu Ehren an Jan Palach Halt gemacht.
Auch am Haus des tschechischen Rundfunks, der maßgeblich am Kampf für Demokratie und Selbstbestimmmung und gegen Faschismus und Nationalsozialismus beteiligt war, bewunderte Saskia Esken den Mut der Menschen. Im Rundfunk-Haus selber führte Till Janzer (Journalist bei Radio Prag) ein Interview mit der deutschen Politikerin.
Öffentliche Abendveranstaltung „Sozialdemokratische Politik in schwierigen Zeiten – aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen“
Mit etwa 50 Gästen gedachten Saskia Esken und tschechische Freunde der Sozialdemokratie an die gemeinsame Vergangenheit und Zukunft.
Nach begrüßenden Worten von Jörg Bergstermann, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Tschechischen Republik, richtete Saskia Esken ihr Wort an Freundinnen, Freunde, Unterstützerinnen und Unterstützer aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In ihrer Rede erinnerte sie an die Geschichte von SPD und SOPADE und dankte dabei dem Mut und Engagement tschechischer Demokratinnen und Demokraten für die deutschen Geflüchteten. Dabei betonte Esken auch, die Lehren, die aus der Geschichte gezogen werden können, denn auch heute ist es weiter wichtig, Demokratiefeinden und rechten Tendenzen gemeinsam entegenzutreten – auch in digitalen Räumen. Eine große Rolle dabei spielt für Saskia Esken, die in Deutschland u.a. als Bildungspolitikerin wirkt und lange in einem Elternbeirat aktiv war, die Bildung. Gerade gute Bildung, gute Schulen, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleicheit helfen jungen Menschen in ihrer Entwicklung zu demokratischen und aktiven Bürgerinnen und Bürgern.
„Ihr Vermächtnis ist unsere Verplfichtung“, dankte die SPD-Politikerinnen den Exil-Sozialdemokratinnen- und Demokraten und formulierte damit auch die klare Aufgabe an die Zukunft. Über den Abend mit Saskia Esken und das Gedenken berichtete auch der Deutschlandfunk in einem Beitrag zum Thema 90 Jahre Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Prager Exil.
In einem anschließenden Podiums-Gespräch mit Radka Šustrová (Historikerin) und Michal Šmarda (Vorsitzender der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei, ČSSD), moderiert von Patrik Eichler (Direktor der Demokratischen Masaryk-Akademie, MDA), stand die aktuelle Situation und Zukunft der Sozialdemokratie in Tschechien und Deutschland im Mittelpunkt der Debatte. Wie kann sozialdemokratische Politik in der Krise aussehen? Wie kann man aus Fehlern lernen, die in der Vergangenheit gemacht wurden? Dabei betonten Šmarda und Esken die gemeinsame Vision einer sozial-gerechten Politik, die in kisenbehafteten Zeiten stark populistischer Rhetorik und rechten Tendenzen entgegentreten muss.
Auch bei Gesprächen im Anschluss an die gemeinsame Abendveranstaltung tauschten sich Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft weiter aus, um aus der Vergangenheit für die Gegenwart zu lernen.
Gemeinsam vorwärts schauen
Am zweiten Tag des Besuches in der tschechischen Hauptstadt sprach Saskia Esken mit Josef Středula, dem Vorsitzenden des Tschechischen Gewerkschaftsbundes ČMKOS, über die Herausforderungen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in der Tschechischen Republik. Danach stand ein Besuch am deutsch-tschechischen Thomas-Mann-Gymnasium an. Gemeinsam mit Direktorin Zuzana Svobodová und Martin Dzingel (Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik), kam die Politikerin über konkrete Probleme und die Situation der deutschen und tschechischen Bildungspolitik ins Gespräch und stellte sich anschließend den Fragen der Schülerinnen und Schüler. Dabei musste die SPD-Politikerin über das deutsche Bildungssystem und Fragen zum Thema der Chancengleichheit Auskunft geben. Zudem waren die Jugendlichen, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen, daran interessiert, warum Saskia Esken Politikerin wurde.
Dieser ermutigende Blick in die Zukunft mit der nächsten Generation stand ganz im Motto des Besuches in Prag: Erinnern, aber auch nach vorne schauen.
Bei einem gemeinsamen Mittagessen wurde die Verpflichtung für den Einsatz für Demokratie und Menschenwürde erneut bewusst und spürbar. In dem Gebäude, in dem die SOPADE ihren Sitz hatte – heute ein Restaurant – kamen Michal Šmarda, Daniela Ostrá (stellv. Vorsitzende der ČSSD), Ulrich Miksch von der Seliger-Gemeinde (Nachfolgeorganisation der sudetendeutschen Sozialdemokratie) und Lubomír Zaorálek (Vorsitzender der MDA) für einen Austausch unter Freunden zusammen. Das Erinnern an die SOPADE und der Austausch unter Verbündeten in Prag machte deutlich: Aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen – das kann man unter Demokratinnen und Demokraten am besten gemeinsam!
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